1800 Euro sind für eine fabrikneue Asus-Grafikkarte vom Typ Geforce RTX 3080 kein ungewöhnlicher Preis. 900 Euro hingegen schon. Und so glaubte Stefan G. (Name geändert) an ein echtes Schnäppchen, als er Anfang 2021 ein entsprechendes Angebot bei Ebay Kleinanzeigen sah.
Der Verkäufer gab sich als promovierter Ingenieur aus Hannover aus, 58 Jahre alt. Er schickte auch ein Foto von sich und seinem Personalausweis, alles schien korrekt. Der Mann ließ sich schließlich problemlos googeln. Die beiden wurden sich schnell einig, obwohl der Verkäufer auf eine Sofortüberweisung bestand. Ein mögliches Warnsignal, das G. übersah. Im Gegenteil, er schickte dem Mann sogar selbst ein Foto seines eigenen Ausweises.
Anschließend überwies er 900,49 Euro auf ein Konto bei der Direktbank N26. Einige Tage später jedoch behauptete der vermeintliche Ingenieur, das Geld sei nicht angekommen. Die Grafikkarte bekam G. nie.
Am 1. März erstattete die Mutter von G. Strafanzeige. Kurz darauf, erzählt sie, »bekamen wir eine E-Mail von Ebay Kleinanzeigen, das Konto des Nutzers sei gesperrt worden. Also war es zuvor sehr wahrscheinlich gehackt worden.«
Auf der Kleinanzeigen-Plattform stieß sie danach auf zwei andere Opfer der Masche. Zusammen gründeten sie eine WhatsApp-Gruppe und fanden weitere Menschen, die auf einen angeblichen Arzt in Westerland hereingefallen waren, der ebenfalls Grafikkarten zum Schleuderpreis anbot.
Im Laufe einiger Monate trugen sie in der Gruppe Screenshots von Dutzenden Fällen zusammen, schnell wurden Muster erkennbar: Die Betrüger locken auf Ebay Kleinanzeigen zum Beispiel mit der Playstation 5, extrem preiswerten Grafikkarten oder Thermomix-Küchenmaschinen.
Mindestens in manchen Fällen tun sie das von gehackten Accounts aus, zuletzt warnte Ebay Kleinanzeigen explizit vor solchen Fällen. Die Mutter von G. sagt: »Ein Konto, das seit Jahren besteht, ist ja auch vertrauenerweckender als ein neu eingerichtetes Kleinanzeigen-Konto.«
Im Chat bieten die Täter an, Fotos ihrer angeblichen Personalausweise vorzuzeigen. »Für mehr Vertrauen« oder »damit wir beide auf der sicheren Seite sind«, wie es in den von der WhatsApp-Gruppe gesicherten Screenshots heißt. Woher sie die Fotos haben, ist unklar. Aber zumindest manche dürften die von früheren Opfern sein, die selbst bereit waren, ihre Ausweise vorzuzeigen. In einem der Screenshots ist zu sehen, dass der angebliche Sylter Arzt ausdrücklich darum bittet, »damit ich weis wem ich meine Daten sende«.
Auch fragen die Täter oft nach der Handynummer eines Interessenten, um die Verhandlungen auf WhatsApp fortzusetzen. Werden die gehackten Accounts gesperrt, weil die eigentlichen Besitzer merken, dass jemand Kleinanzeigen in ihrem Namen veröffentlicht, bekommen die Interessenten das möglicherweise schon nicht mehr mit, weil sie auf eine andere Plattform gelockt wurden.
Als Zahlungsweg akzeptieren die Täter nur Überweisungen oder Direktüberweisungen mitsamt Zahlungsnachweis. »Mein PayPal funktioniert derzeit nicht« oder »Wir haben leider kein PayPal«, heißt es etwa zur Begründung.
Spätestens an dieser Stelle müssten Interessenten Verdacht schöpfen: Ob es sich bei der Person auf dem Ausweis und dem Kontoinhaber um denselben Menschen handelt, lässt sich nämlich nicht erkennen. Der vermeintliche Vertrauensbeweis ist also keiner.
Auch bei der Überweisung spielen die Angaben auf dem Ausweis keine Rolle: Banken und Sparkassen brauchen nicht zu prüfen, ob Name und Kontodaten des Empfängers in sich stimmig sind. Es zählt allein die IBAN. Wer in einer Überweisung eine zwar an sich korrekte IBAN, aber den falschen Namen des Kontoinhabers angibt, haftet selbst für den Fehler, warnen Verbraucherschützer.
Die Mutter von G. sagt, es sei auffällig, dass die Täter »immer wieder die N26-Bank« wählten. Kontonummern der N26 tauchen in den Screenshots auch mehrfach auf, ob die Bank überdurchschnittlich oft von Betrügern genutzt wird, lässt sich mit dem gesammelten Material jedoch nicht belegen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte N26 kürzlich aber eine Wachstumsbeschränkung auferlegt, die es der Bank erlaube, »ihre Ressourcen auch zur Stärkung der Kundenidentifikationsprozesse, des Transaktionsmonitorings und des Verdachtsmeldewesens verstärkt einzusetzen«, wie es in der Mitteilung der Bafin heißt. Vorausgegangen waren Berichte, nach denen N26 ein »massives Problem mit Fake-Konten« hat.
Weggelockt von der Plattform
Schöpft jemand auf Ebay Kleinanzeigen Verdacht und stellt zu viele Nachfragen, wird er oder sie unter Zeitdruck gesetzt oder darauf hingewiesen, dass es auch andere Interessenten gebe. Genau deshalb kann die Masche funktionieren. Die Angst, ein so gutes Angebot im letzten Moment noch zu verpassen, obwohl man bereits mit dem Verkäufer in Kontakt steht, dürfte bei manchen Menschen stärker sein als ihre Zweifel.
Natürlich sollte schon das Angebot selbst stutzig machen: Warum sollte beispielsweise ausgerechnet ein Arzt auf Sylt, wo eine Abholung naturgemäß schwierig ist, neue Grafikkarten zum halben Preis verkaufen? Warum die Eile im Chat, wenn es doch auch für den Verkäufer um mehrere Hundert Euro geht? Warum ein Foto vom Ausweis, wenn es doch gar nicht beweist, dass der Verkäufer und die abgebildete Person identisch sind? Aber vor allem: Warum besteht jemand beim Handel mit wertvollen Produkten auf eine Zahlung über externe Anbieter, statt auf die Abwicklung über Ebay Kleinanzeigen selbst?
»Schicke nie Fotos von Ausweisdokumenten oder Bankkarten«
Neu ist das alles nicht. Erkennbar ist das schon daran, dass Ebay Kleinanzeigen selbst vor exakt diesem Szenario warnt, auch wenn die »Tipps für deine Sicherheit« ganz unten und wenig auffällig auf der Seite verlinkt sind. »Schicke nie Fotos von Ausweisdokumenten oder Bankkarten – diese könnten missbraucht werden«, heißt es dort. »Du solltest misstrauisch werden, wenn du unaufgefordert solche Dokumente zugeschickt bekommst. Vertraue niemals auf deren Echtheit.«
Zudem empfiehlt das Unternehmen ausdrücklich seine Funktion »Sicher bezahlen«, bei der ein Treuhanddienst die Zahlungen der Käufer erst freigibt, wenn die den Erhalt der Ware bestätigt haben.
Die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe wollen vor allem eines zeigen, sagt die Mutter von G.: »Nicht gefälschte Ausweise sind das Problem. Vielmehr sind unzählige Fotos von echten Personalausweisen im Umlauf, von Personen, die erst Opfer eines Betrugs wurden, also Geld bezahlt und keine Ware erhalten haben, und dann nochmals Opfer durch Identitätsdiebstahl wurden. Denn die Betrüger nutzen ihre Fotos von Personalausweisen weiter.«
Die Mitglieder der Gruppe haben schon zahlreiche Strafanzeigen gestellt, bisher konnte aber erst ein einziger Betrüger ermittelt werden.
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